Erklärung der Sprecherinnen zur Diskussion um die Umbenennung von Straßennamen in Herrsching mit NS Bezug im Gemeinderat am 28.4.2025

ErklaerungGrueneStrassennamenHerrsching2025

Wir freuen uns, dass der Gemeinderat auf einen Antrag der Bürgergemeinschaft Herrsching hin in der letzten Sitzung die Umbenennung von zwei Straßen mit Bezug zum Nationalsozialismus beschlossen hat, wenn auch lediglich knapp mit 11 zu 9 Stimmen: Madeleine-Ruoff-Straße und Erich-Holthaus-Straße. Wir sind allerdings entsetzt darüber, wie in Teilen die Debatte besonders zur Ploetzstraße geführt wurde, die von der Umbenennung ausgenommen bleibt.

Die Straße wurde in den fünfziger Jahren nach einem maßgeblichen Mitbegründer der Theorie der „Rassenhygiene“, Alfred Ploetz, benannt, der seit 1914 in Herrsching wohnte. Diese Theorie war eine wichtige theoretische Grundlage für die Rassen- und Euthanasiegesetze der Nationalsozialisten, wofür Adolf Hitler selbst Alfred Ploetz mit einer Professur in München belohnte.

Im Jahr 2002 diskutierte der Gemeinderat nach dem Hinweis einer Bürgerin auf die Vergangenheit des Namensgebers erstmalig über den Straßennamen. Zu einer Umbenennung und damit konsequenten Aufarbeitung kam es dann jedoch nicht. Lediglich der Vorname wurde gestrichen – historische Aufarbeitung geht anders. Dazu kommt, dass aus dem von Herrn Schiller in der jetzigen Sitzung verlesenen Protokoll hervorgeht, dass die damalige Bürgermeisterin erst im Rahmen dieser Entscheidung damit beauftragt wurde, nach Gründen für den Beibehalt des Familiennamens als Straßennnamen zu suchen. Aufgeführt wurde dafür dann unter anderem die günstige Abgabe von Land an die Gemeinde Herrsching von Seiten der Familie Ploetz.

Für uns ist klar: Der Straßenname steht auch nach der Streichung des Vornamens in einer Kontinuität mit Alfred Ploetz, einem der Väter der pseudowissenschaftlichen Theorie der Rassenhygiene, die in letzter Konsequenz zu den Massenmorden während der Zeit des Nationalsozialismus geführt hat. Argumente um die Verdienste der Familie als solche wirken vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte des Straßennamens mehr als konstruiert. Eine unbequeme, aber in Hinblick auf unsere historische Verantwortung notwendige Entscheidung wurde ausgesetzt und eine Chance auf echte Aufarbeitung vertan.

Was uns ebenfalls erschüttert hat: Im Laufe der Diskussion wurde mehrfach behauptet, die Nachfahren von Alfred Ploetz würden in „Sippenhaft“ genommen.
Die Sippenhaft wurde unter diesem Namen vom nationalsozialistischen Regime verwendet, um jeglichen Widerstand zu unterdrücken. Menschen, die sich gegen das Regime gewandt haben, riskierten nicht nur ihre eigene Freiheit, Gesundheit und Leben. Auch ihre unbeteiligten Verwandten wurden teils inhaftiert (oft im Konzentrationslager), gefoltert oder getötet, um besonders drastisch von jedem Widerstand abzuschrecken. Diesen Begriff jetzt zu verwenden, um einen vermeintlichen Ehrverlust für eine Familie zu beschreiben, weil eine Straße umbenannt wird, banalisiert, was der Begriff tatsächlich bedeutet hat, und zeugt von einer erschreckenden Geschichtsvergessenheit und Gedankenlosigkeit.

Als Grüne ist für uns klar: menschenverachtendes Gedankengut verdient keine Würdigung. Als Gemeinde ist es wichtig, besonders vor dem Hintergrund eines erstarkenden Rechtsrucks in Europa und der Welt eine klare Haltung zu zeigen. Dabei müssen wir dann auch den Mut haben, unbequeme Entscheidungen zu fällen, die eine einflussreiche Familie betreffen. Gerade jetzt, kurz bevor sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal jährt, täten wir gut daran, diesen Mut aufzubringen – die Chance auf echte Aufarbeitung wurde leider nur zum Teil genutzt.

Charlotte Wehn und Franziska Schon
Sprecherinnen des Ortsverbands Herrsching von BÜNDNIS90 / DIE GRÜNEN

 

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